Pornos zu schauen ist für viele völlig normal - egal, ob als Single oder in einer Beziehung. Manche Paare schauen Pornos auch zusammen. Aber wie verändern Pornos eigentlich unsere Vorstellungen von Sexualität? Und wie verändern sie unsere Beziehungen? Wir haben für euch nachgefragt!
Michael ist Sexualtherapeut in Saarbrücken. Er erklärt, dass wir durchs Pornos schauen lernen, dass uns Bilder erregen und wir uns deshalb befriedigen. Problematisch kann das werden, wenn wir uns dann mehr auf das fokussieren, was wir auf dem Bildschirm sehen, als auf das, was wir gerade spüren. Das ist nicht nur bei Selbstbefriedigung so, sondern kann sich auch auf unser Sexleben auswirken.
Es kann also passieren, dass wir beim Sex auf Autopilot schalten. Heißt, wir konzentrieren uns nur noch auf irgendwelche Fantasien und Vorstellungen und können uns dadurch weniger auf die Situation und unseren Partner einlassen. Pornos können auch unrealistische Vorstellungen von Sex verstärken. "In Pornos gelingt immer alles und es gibt keine Unsicherheit", sagt Michael. Dabei sei es normal, dass beim Sex nicht direkt alles funktioniert und perfekt läuft.
Pornos verändern unser Sexualleben, aber sie zerstören es nicht. Das klingt zu dramatisch. Es kommt drauf an, wie man selbst oder als Paar Pornos nutzt.
Pornos haben auch positive Seiten, erklärt Michael: Durch sie kann man auch jede Menge lernen. Beispielsweise, wie verschiedene Sexualpraktiken funktionieren und was man darunter überhaupt versteht. Außerdem können sie auch Inspiration sein und zeigen viele verschiedene Vorlieben, die existieren.
Michaels Fazit: Die Menge machts! Es kommt immer darauf an, wie viele Pornos und warum sie geschaut werden. Pornos an sich sind nichts Schlimmes und können genau wie Bilder oder Bücher zum Spaß genutzt werden. Wenn man das Ganze aber übertreibt, kann man davon auch abhängig werden.
Jeremy ist das passiert: Er war abhängig von Pornos. Bereits als 9-jähriger suchte Jeremy aktiv nach Wegen, um an Pornos zu gelangen. Mit 16 Jahren war ihm dann bereits klar, dass er abhängig ist. Denn obwohl er aufhören wollte, konnte er es nicht. Und auch wenn Jeremy selbst gespürt hat, dass ihm die Pornos nicht gut tun, wusste er als Teenager nicht, wie er aus der Sucht herauskommen soll.
Ich wollte einfach mehr haben!
Über 20 Jahre war Jeremy süchtig, bis er sich getraut hat sich jemandem anzuvertrauen. Das war der erste Schritt raus aus der Sucht. Letztlich dauerte es eineinhalb Jahre bis Jeremy unter anderem mit Hilfe eines Onlinekurses seine Sucht besiegen konnte.
Aus seiner eigenen Erfahrung heraus, hat Jeremy eine Organisation gegründet, die Betroffenen hilft. Schritt für Schritt begleitet die Organisation die Süchtigen auf ihrem Weg aus der Sucht. Betroffen sind dabei alle Altersschichten und auch alle Geschlechter, weiß Jeremy.
Jeremys Tipps für Betroffene: Sucht euch eine Person, der ihr euch anvertrauen könnt und plant euren Weg aus der Sucht Schritt für Schritt. Er selbst ist dankbar, dass er den Schritt gewagt hat und jetzt sein Leben ohne Sucht leben kann.
Anlaufstellen für Betroffene:
Melina arbeitet in der Pornobranche als Erotikdarstellerin. Sie sagt selbst, dass in Pornos nicht das echte Leben im Mittelpunkt steht:
In vielen Pornos sind beispielsweise Lust und Orgasmen gespielt und nicht real. Auch viele Positionen sind nicht natürlich, denn es wird immer auf die Kamera geachtet und dass bestimmte Aufnahmen möglich sind. Laut Melina wird auch bei ihr geschaut, dass ihre Haare sitzen, aber Orgasmen und Lust spielt Sie persönlich nicht vor.
Wenn ich privat Sex habe, dann ist mir egal, ob meine Haare im Gesicht hängen. Auch, ob ich nach links oder rechts schaue, ist egal. Wenn die Kamera aber läuft, dann musst du auch drauf achten, dass das gesehen wird, was gesehen werden soll
Artikel vom 19.04.2021