Silhouetten von Vater und Sohn (Foto: pixabay.com)
Familie und Corona: „Sich nah sein, ohne sich zu sehen“

Manche von euch wohnen noch bei den Eltern, manche besuchen sie jeden Sonntag zum Mittagessen, manche wohnen weit weg und fahren nur zu Besuch – egal, wie es bei euch aussieht – auch im Familienleben sorgt das Coronavirus für Ausnahmesituation. Entweder sieht man die Familie gerade extrem viel, oder so gut wie gar nicht. UNSERDING hat mit Psychologin Dorothee über beide Fälle gesprochen und hat Tipps für euch, wie ihr euch nicht zu sehr auf die Nerven geht, oder euch trotz Kontaktsperre nahe seid.

Bei den Eltern wohnen

„24/7 bei den Eltern zu sein – das ist eine schwierige Ausnahmesituation.“ Dorothee sagt, dass man sich daran erst einmal gewöhnen muss. Denn auch wenn man regulär noch zuhause wohnt, sind normalerweise nicht immer alle auch zuhause. Aktuell geht das aber vielen so. Und gerade, wenn jemand schon mal ausgezogen war und wieder bei den Eltern eingezogen ist, bedeutet das eine Umgewöhnung. „Man muss sich dann wieder den Strukturen anpassen und sich unterordnen. Teilweise macht man das automatisch, es ist wie ein ‚Kindheitshypnose‘, man gerät da wieder in alte Muster.“

Zimmer in einer Wohnung (Foto: pixabay.com)
Getrennte Zimmer sollten respektiert werden

Dorothee sagt, dass gegenseitiger Respekt gerade das A und O dafür ist, dass der Haussegen gerade hängen bleibt. Das sei natürlich immer der Fall, aktuell aber eben umso mehr. Ihre Tipps dafür lest ihr hier:

  • Tipp 1: Private Räume respektieren, nicht unangemeldet ins Zimmer stürmen
  • Tipp 2: Bescheid geben, wenn man Ruhe und Zeit für sich braucht
  • Tipp 3: Ausnutzen, dass Spaziergänge noch erlaubt sind. Einzeln spazieren gehen, damit jeder auch im Haus mal seine Ruhe hat und für sich sein kann.

Eine Frau geht mit zwei Hunden spazieren (Foto: pixabay.com)
Spazieren gehen kann man auch mal allein

Die Eltern und Großeltern länger nicht sehen

Dorothee sieht die Situation aber (je nach Familie) auch als Chance, näher zusammenzuwachsen. Das merkt sie auch in ihrer kleinen Familie, mit der sie aktuell auch ungewöhnlich viel Zeit verbringt. Ihre Kinder machen Home Schooling, das betreut hauptsächlich ihr Mann, denn sie arbeitet aktuell noch viel. Wenn sie Feierabend hat, verbringen sie viel Zeit miteinander, spielen mehr als sonst, nehmen sich viel Zeit füreinander. „Das beginnt schon damit, dass wir immer Zeit für gemeinsame Mahlzeiten haben. Außerdem müssen wir den Kindern gerade Abwechslung und Action bieten, deswegen malen und basteln wir auch viel.“ Diese Malereien bekommt dann der Rest der Familie zugeschickt, ihre Eltern und Großeltern sieht Dorothee nämlich aktuell nicht – zu gefährlich. Aber sie nutzen alle Arten der Videotelefonie aus und telefonieren auch normale, außerdem schreiben sie sich Briefe oder schicken sich kleine Päckchen. „Man wird kreativ in so einer Notlage findet sie, es bleibt einem ja nichts anderes übrig, so sind wir halt, eine kreative Spezies“, sagt sie.

Ein Opa und sein Enkel gehen spazieren (Foto: pixabay.com)
Großeltern müssen gerade viel auf Besuche verzichten

Wenn die Meinungen auseinander gehen

Sie hat aber auch Verständnis dafür, dass manche ältere Leute, die vielleicht in der Risikogruppe sind und deswegen besonders vorsichtig sein sollten, ihre Familien trotzdem sehen möchten. Die jüngere Generation der Familie hält das vielleicht für zu gefährlich und ist gegen einen Besuch.

„Ich bin da sehr ambivalent, sehe beide Seiten. Denn ich kenne ältere Menschen, die sagen ‚Ich möchte lieber an Corona sterben als einsam‘, und dafür habe ich Verständnis. Und man darf ja im Krankenhaus oder im Heim niemandem mehr besuchen, das ist für die Menschen unerträglich. Ich sehe das als gespaltene Situation und wenn die Eltern drauf bestehen, nicht allein zu Hause zu sitzen für unbestimmte Zeit muss man auch sehen, dass sie erwachsene Menschen sind, denen nicht die Mündigkeit absprechen kann. Im Zweifel haben die viel mehr erlebt und gesehen als wir.“

Eine junge Frau legt ihre Hand auf die einer alten Frau (Foto: pixabay.com)
Ältere Menschen fühlen sich ohne Besuch vielleicht einsam

Ihre eigene Einstellung dazu: „Ich möchte nichts verbieten, argumentiere aber. Sage also älteren Familienmitglieder, dass wir alle möchten, dass sie gesund bleiben und wir noch lange etwas von ihnen haben. Wenn sie dann sagen, das ist ihnen egal, dann sollte man das vielleicht respektieren und sie nicht davon abbringen. Gerade bei Menschen, die vor kurzem verwitwet sind oder aus anderen Gründen allein, könne sie den Wunsch, die Familie um sich zu haben, verstehen.

Wenn die Gesprächsthemen ausgehen

Wenn man die Familie also sieht, aber kaum Gesprächsthemen abseits von der Coronakrise hat, gibt Dorothee auch noch einige Tipps:

  • Tipp 1: Die Nostalgieschiene fahren. Das klappt gerade mit Großeltern gut. Alte Geschichten auspacken und sich gemeinsam an glückliche Zeiten erinnern.
  • Tipp 2: Perspektivisch denken. Pläne schmieden für sie Zeit nach Corona, überlegen, was man gerne mal machen würde, auch gemeinsam.
  • Tipp 3: Andere Themen als Corona gibt es immer noch genug: Bücher, Filme, Hobbys, Haustiere…


Über dieses Thema wurde auch in der UNSERDING-Show mit Moritz am 2. April 2020 berichtet.